Recruiting mit Corporate Influencern?
Influencer ist ein Begriff aus dem Zeitalter der Social-Media-Plattformen. Zuvor hätten wir einfach Testimonials oder Markenbotschafter gesagt. Unterschiede gibt es speziell in Sachen Authentizität. Idealbilder von Influencern sind Menschen, die sich selbst und ihr Thema mit hohem bis absolutem Echtheits-Anspruch über Social Media verbreiten. Durch echte, nicht nur vorgetäuschte, Authentizität soll eine möglichst gute Erreichbarkeit von Zielgruppen mit möglichst geringen Streuverlusten erreicht werden. Botschaften werden mit sehr hoher Glaubwürdigkeit transportiert und erreichen ihre Zielgruppen deshalb besser als herkömmliche Öffentlichkeitsarbeit, Marketing oder Werbung.
Influencertum hat seine Basis in der äußerst kleinteiligen Segmentierung von Zielgruppen, die auf digitalen Kommunikationsplattformen möglich ist. Konkret: Menschen mit einer Vorliebe für seltene Hobbys, spezielle Sportarten, kaum bekannte Spiele, Tiere mit eingebauten Leuchtmitteln in mehr als 5000 Metern Wassertiefe, Mode aus Nordkorea oder Milliarden sonstiger Themen beschäftigen sich damit öffentlich. Andere Menschen mit gleichen Interessen folgen ihnen. Eine spezialisierte Community entsteht, mit so wenigen Leute und so weit verstreut, dass sie in herkömmlichen Medien keine oder nur sehr selten Beachtung finden. Es sind aber genug, um eine interessante Nische im globalen Markt darzustellen. Wer Produkte oder Dienstleistungen hat, die sich an Menschen mit diesem Interesse richten, kann sie sehr leicht erreichen über die Influencer, die für die jeweilige Community wichtig sind. Dieser Effekt lässt sich natürlich auch für die Personalgewinnung nutzen.
Das klingt verlockend und zudem nach niedrigen Kosten, denn es wird ja keine teure Kampagne mit prominenten Markenbotschaftern gebucht. Einfach die Beschäftigten über ihre Arbeit bloggen, facebooken, twittern, instagramen oder tiktoken lassen – und schon rennt der Fachkräftenachwuchs uns die Türen ein! Leider aber ist es in der Realität nicht so einfach. Es fängt mit dem Grundproblem an, dass Arbeit eben nicht das Gleiche ist wie privates Interesse. Selbst die begeistertsten und motiviertesten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen werden für ihre Arbeit selten das gleiche Maß an Leidenschaft und Enthusiasmus aufbringen wie für ihre privaten Interessen. Und selbst wenn doch, ist eine Vermischung der eigenen, privaten Social-Media-Kanäle mit der Arbeit nicht jedermanns Sache. Und ob die 300 oder 800 Follower, die jemand auf seinem privaten Kanal haben mag, wirklich wissen wollen, was diese Person während ihrer Arbeitszeit so macht?
Kontrolle oder Authentizität ist ein weiteres großes Problem: Sollen die Beiträge von Corporate Influencern echt wirken, dürfen sie eben nicht von einer Agentur professionell produziert werden. Sollen aber natürlich trotzdem schick aussehen, weil sie sonst keine Klicks bekommen. Und dürfen die Richtlinien für die Unternehmenskommunikation und -darstellung nicht verletzen. Zu stark von Profis bei Agenturen oder im Unternehmen unterstützte oder von der unternehmensinternen Kommunikationsabteilung „geschönte“ Beiträge wiederum verfehlen das Ziel „Authentizität“. Ein schwer lösbares Dilemma.
Und natürlich ist Influencer-Marketing durch die eigenen Beschäftigten nicht kostenlos. Die Zeit, die dafür aufgewendet wird, fehlt für die eigentlichen Arbeitsaufgaben. Zudem ist es in der praktischen Umsetzung sinnvoll, die Corporate Influencer zu unterstützen, beispielsweise durch die Bereitstellung von Equipment wie Kamera, Licht und Mikrofon für die Produktion von Beiträgen oder durch vorfabrizierte Content-Bausteine, die genutzt und bearbeitet werden können. Durch Instanzen zum Gegenlesen und/oder Freigeben von Beiträgen und durch Schulungen, Workshops oder Veranstaltungen, die sich an Corporate Influencer richten. All das kostet Ressourcen und Geld.