Recruiting in der Covid-Pandemie
Jetzt, da die Corona-Pandemie ihre zweite Sommerpause einzulegen scheint – oder sich, je nach Sichtweise, die vierte Welle aufbaut – ist es eine spannende Frage, wie sich Covid 19 auf den Arbeitsmarkt und das Recruiting von Fachleuten auswirkt. Die Antwort ist nicht ganz trivial, weil wir praktisch noch mitten in der Entwicklung sind und Daten nur spärlich verfügbar. Es gibt aber klare Hinweise darauf, dass kaum Entspannung im Kampf um junge Fachkräfte eintritt.
So zeigt etwa das Recruiting-Dashboard von Softgarden, dass es zwar große Einbrüche im letzten Quartal 2020 gegeben hat, aber diese offenbar nur vorübergehend sind. Softgarden ist ein Anbieter von Recruiting-Software, der in Deutschland nach eigenen Angaben rund 1000 Unternehmen unterschiedlichster Branchen, Regionen und Größe als Kunden hat. Auf dieser Datenbasis erstellt und veröffentlicht Softgarden sein Dashboard. Das zeigt im Jahresvergleich für September und Oktober 2020 noch eine Zunahme der veröffentlichten Stellenanzeigen. Im November dann aber einen kleinen Einbruch und im Dezember einen sehr großen um mehr als ein Fünftel. Das klingt drastisch, relativiert sich aber beim Blick auf die neu veröffentlichten Stellenanzeigen. Die sind in jedem einzelnen der vier Schlussmonate 2020 gestiegen, wenn auch der Zuwachs im Jahresvergleich im September noch über 25 Prozent lag, im Oktober bei knapp 17 Prozent und im November dann bei nur noch zehn Prozent. Im Dezember kehrte sich der Trend aber schon wieder um und es wurden fast 13 Prozent mehr Stellenanzeigen veröffentlicht als ein Jahr zuvor. Die Zahl der geführten Interviews war in drei der vier Monate leicht (um jeweils etwa ein Prozent) niedriger als im Vergleichsmonat des Vorjahres, nur im November ist sie mit knapp zehn Prozent minus eingebrochen. Ganz anders hingegen die Tendenz bei den Einstellungen: September und November zeigten jeweils ein Minus von gut fünf Prozent im Jahresvergleich, Oktober und Dezember hingegen klare Zuwächse von knapp neun bzw. mehr als zwölf Prozent.
Interessant ist auch ein Blick auf die offiziellen Zahlen der Arbeitsagentur: Demnach lag die Zahl der gemeldeten offenen Stellen zwar von Juni 2020 bis März 2021 kontinuierlich unter den jeweiligen Monatswerten des Vorjahres. Aber mit abnehmender Tendenz, das heißt: Unternehmen wurden auch während des zweiten, langen Lockdowns zunehmend positiver im Hinblick auf Einstellungen. Während im Juni und Juli 2020 noch fast 30 Prozent weniger freie Stellen bei den Arbeitsagenturen gemeldet waren als in den Sommermonaten 2019, sank diese Zahl bis zum Jahresende 2020 kontinuierlich auf ein Minus von gut 15 Prozent im Dezember. Diese Abnahme setzte sich dann in der ersten Jahreshälfte 2021 weiter fort, wenn auch mit verringerter Dynamik. Drastisch dann aber der Umschwung mit der üblichen saisonalen Frühjahrsbelebung: Waren im März noch 11,9 Prozent weniger Stellen frei als ein Jahr zuvor, so gab es im April dann 0,3 Prozent mehr freie Stellen, im Mai schon zwölf Prozent mehr und im Juni schließlich ein Plus von über 20 Prozent. Und auch in absoluten Zahlen lässt sich keine große Delle durch den zweiten Lockdown ausmachen: Der Bestand an gemeldeten offenen Stellen lag bei den Arbeitsagenturen mit gut 600.000 im November 2021 rund 30.000 höher als im Juni 2020. Im Dezember und Januar dann ein Rückgang auf rund 580.000 bzw. rund 566.000 freie Stellen, seither wächst ihre Zahl wieder und lag mit gut 609.000 im März schon über dem Niveau von November. Im Juni 2021 waren gut 693.000 freie Stellen bei den Arbeitsagenturen gelistet, ein Plus von gut 123.000 im Jahresvergleich. Übrigens werden über die Arbeitsagenturen im Juni 2021 am häufigsten Stellen im Bereich Verkehr und Logistik angeboten (ohne Fahrzeugführer), gefolgt von Personal für medizinische und Gesundheitsberufe und auf Platz drei den Verkäufern und Verkäuferinnen.
Bleibt eigentlich nur noch der obligatorische Blick auf die Arbeitslosenquote und ein inhaltliches Fazit zu ziehen. Ja, in der Quote zeichnet sich die Belastung durch die Pandemie deutlich ab. Mit durchschnittlichen 5,9 Prozent im Jahr 2020 und 6,1 Prozent im laufenden Jahr liegt die Quote deutlich höher als 2019 (5 Prozent) und etwa auf dem Niveau der Jahre 2016/2017, aber weit entfernt von den 8,1 Prozent im Jahr der Bankenkrise 2009. Und 2005 hatte sie noch durchschnittlich 11,7 Prozent betragen. Ergo: Dass die Pandemie und die Lockdowns eine schwere wirtschaftliche Belastung sind, ist kein Geheimnis und muss kaum betont werden. Angesichts der Länge und Konsequenz der Maßnahmen – die ja auch noch nicht vorbei sind – muss das Fazit aber sicher lauten: Es hätte schlimmer kommen können. Und strategisch betrachtet dürfte doch klar sein: Die demographische Entwicklung wird sich nicht grundlegend ändern. Der Fachkräftemangel bleibt mutmaßlich hoch. Wer in den vergangenen Monaten aktiv seine Recruiting-Prozesse an die neue Situation angepasst hat, konnte von einem einerseits höheren Angebot an Personal und andererseits vermindertem Wettbewerbsdruck beim Recruiting profitieren. Und ist jetzt gut aufgestellt, um Fachkräftenachwuchs einzustellen – wenn das noch nicht geschehen ist.