Mit Retention Management die Mitarbeiterbindung verbessern?
Der Gallup Engagement Index untersucht seit 2001, „wie hoch der Grad der emotionalen Bindung von MitarbeiterInnen an ihren Arbeitgeber ist und damit ihr Engagement und die Motivation bei der Arbeit. Befragt wurden Ende 2021 insgesamt 1500 zufällig ausgewählte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die Studie ist laut Gallup repräsentativ.
Demnach haben nur 17 Prozent der Beschäftigten eine hohe emotionale Bindung an ihr Unternehmen, 68 Prozent eine geringe und 14 Prozent überhaupt keine. Das ist auf den ersten Blick eine erschreckende Nachricht, denn wer keine oder nur eine geringe Bindung hat, der – oder die – gibt eine Stelle leichter auf als Menschen, die eine hohe emotionale Bindung zu ihrem Arbeitgeber verspüren. Auf den zweiten Blick relativiert sich das Ergebnis: Der Anteil der Beschäftigten mit hoher Bindung hat sich mit 17 Prozent in den beiden Corona-Jahren gegenüber der Zeit davor erhöht und ist seit Beginn der Befragung noch nie höher gewesen. Ähnlich am anderen Ende, die 14 Prozent ohne jegliche emotionale Bindung sind der niedrigste je gemessene Wert, er war zuvor nur einmal im Jahr 2018 erreicht worden. Und man muss auch konstatieren, dass auf Sicht des gesamten Befragungszeitraums das Verhältnis der drei Kategorien zueinander meist ähnlich war wie in der jüngsten Umfrage. Lediglich der Anteil jener ohne irgendeine Bindung war zwischen 2007 und 2012 mit 20 bis 24 Prozent deutlich erhöht.
Alles nicht so schlimm? Keineswegs, der Engagement Index hat noch konkretere Fragen gestellt als die nach der emotionalen Bindung. So hat laut Gallup die kurzfristige Wechselbereitschaft zugenommen, die mittelfristige sogar „eklatant“. Der Anteil der Menschen, die sich aktiv nach einem neuen Job umsehen sowie jener, die zwar noch nicht aktiv suchen, aber zumindest die Augen offenhalten, ist mit 40 Prozent so hoch wie noch nie. Knapp ein Drittel sagt, innerhalb der letzten zwölf Monate ein Jobangebot von einer Personalberatung erhalten zu haben – dieser Wert ist doppelt so hoch wie in den Jahren zuvor. Kein Wunder also, dass Gallup eine mögliche Kündigungswelle herannahen sieht. Und egal, ob emotional wenig gebundene Beschäftigte irgendwann kündigen oder nicht: „Die volkswirtschaftlichen Kosten aufgrund von innerer Kündigung beliefen sich im Jahr 2021 auf eine Summe zwischen 92,9 und 115,1 Milliarden Euro“, so Gallup.
Seit einiger Zeit wird Retention Management als Lösung angeboten, um ein Umfeld zu schaffen, in dem Beschäftigte dazu ermutigt werden, an ihrem aktuellen Arbeitsplatz zu bleiben. Früher hätte man „Mitarbeiterbindung“ gesagt. Allerdings: Früher hätten wohl viele Personalabteilungen einfach darauf vertraut, dass Geld der beste Motivator ist, wichtigen Beschäftigten regelmäßig eine Gehaltserhöhung oder einen Bonus ausgezahlt und das ausreichend für die Mitarbeiterbindung angesehen. Oder noch einen Dienstwagen draufgepackt. Früher war jedoch der War for Talents noch nicht so ausgeprägt wie heute, wo sich immer mehr Beschäftigte ihre Arbeitsplätze mehr oder minder frei aussuchen können und Unternehmen dazu übergehen, sich beim Fachkräftenachwuchs zu bewerben anstatt umgekehrt.
Nun also Retention Management als strategische Maßnahme, die im besten Fall auch gleich noch mit dem Employer Branding gekoppelt durchgeführt wird. Berater, Agenturen und Dienstleister bieten dafür ihre Dienste an. Unabhängig von den einzelnen Angeboten gilt es, eine Grundregel nicht aus den Augen zu verlieren: Grundbedingungen wie insbesondere das Gehalt müssen stimmen. Aber wenn das der Fall ist, dann ist alles weitere, was für die Mitarbeiterbindung getan werden kann, individuell zu gestalten. Und deshalb ist insbesondere jenen Angeboten, die stark pauschalisiert daher kommen, mit Vorsicht zu begegnen. Durch das Aufstellen von Obstkörben oder Tischkicker, das Einrichten von Ruhe- oder Fitnessräumen oder das Verteilen von Gutscheinen steigt nicht automatisch die Bindung an das Unternehmen. Sie funktioniert so wie andere emotionale Bindungen an Freunde oder Partner: Es geht um Begegnung auf Augenhöhe, Zufriedenheit im Tun, echte Begegnung, gegenseitige Wahrnehmung – nicht primär um Geschenke. Deshalb: Misstrauen Sie allen Programmen, die nur standardisierte Belohnungs- und Prämienfabriken sind. Arbeiten Sie statt dessen an guten Beziehungen zur Belegschaft und investieren Sie dafür beispielsweise in die Schulung des Managements. Finden Sie heraus, was ihre Leute wirklich wollen.