Internationales Recruiting

Die Welt und die Wirtschaft sind global vernetzt. Und das wird sich auch durch die Corona-Krise nicht grundlegend ändern. Für Unternehmen auf Fachkräftesuche bietet internationales Recruiting Chancen – aber auch Herausforderungen.
Veröffentlicht am 31.08.2021
Internationales Recruiting

Die erste und offensichtlichste Chance ist natürlich die enorme Vergrößerung des Suchpools. Wer in Deutschlands Nachbarländern, in ganz Europa oder gar weltweit nach Fach- und Führungskräften sucht, der greift dabei auch auf Märkte zu, in denen der Fachkräftemangel nicht so ausgeprägt ist wie in Deutschland. Auch wenn das zunächst das schlüssigste Argument für die internationale Suche sein mag, sollten Unternehmen weitere Aspekte nicht vernachlässigen. Fach- und Führungskräfte aus anderen Ländern und Kulturen bringen auch andere Traditionen, Kenntnisse, Ansichten und Gewohnheiten mit. Das kann die Kompetenzen des eigenen Unternehmens stark erweitern und dadurch neue Chancen eröffnen. Sei es einen besseren Zugang zu neuen Märkten, weil Führungskräfte aus dieser Region dort auch ein Netzwerk haben oder zumindest doch den neuen Markt besser kennen als Mitarbeiter mit „Blick von außen“. Aber beispielsweise auch durch eine andere Denk- und Beurteilungstradition, die eingefahrene Strukturen hinterfragt und im besten Falle neue Lösungsmöglichkeiten und Ansätze eröffnet. Aber es ist natürlich auch eine Herausforderung, Beschäftigte mit einem völlig anderen kulturellen Hintergrund in ein bisher recht homogenes Unternehmen zu integrieren.

Deshalb sollte der erste Schritt bei der internationalen Personalbeschaffung nicht die Schaltung einer Anzeige oder die Kontaktaufnahme mit einem Dienstleister sein, sondern die gründliche Nabelschau: Was erwarten wir von internationalen Fachkräften? Was können wir ihnen bieten? Wie können wir sie integrieren? Welche Vorbereitungen müssen in der bestehenden Belegschaft getroffen werden? Welche Probleme könnten entstehen und wie gehe ich damit um? Auch unternehmensstrategische Fragen sind zu beachten, etwa die nach einem Zusammenhang zwischen möglichen Zielländern für die Fachkräftesuche und bestehenden oder geplanten eigenen Marktaktivitäten. Und die Frage, ob Sie von neuen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen einen Umzug verlangen wollen oder ob diese auch in ihrem Heimatland bleiben und trotzdem für Sie arbeiten können.

Sind die Grundüberlegungen getätigt, geht es an die Umsetzung. Personalbeschaffung ist aufwändig, die internationale Suche steigert den Aufwand. Das fängt bei der Sprachkompetenz für Anzeigen, Verhandlungen und Integration an, geht weiter über die Beurteilung internationaler Ausbildungen, Abschlüsse und Erfahrungen sowie die mangelnde Kenntnis der Strukturen fremder Arbeitsmärkte bis hin zu kulturellen und juristischen Themen der internationale Suche und später dann der Integration. Gerade die juristische und administrative Seite liefert Fallstricke für eine erfolgreiche internationale Personalsuche, und auf dem kulturellen Feld ist die Unsicherheit und damit die Gefahr für Fettnäpfchen noch größer. Für kleine und mittlere Unternehmen mit begrenzten Ressourcen in der Personalbeschaffung bieten sich naheliegende Lösungen an: Die Beauftragung eines Dienstleisters oder das Aktivieren eigenes Netzwerke. Selbst wer sich bislang als eher national aufgestelltes Unternehmen gesehen hat, wird vermutlich in der bestehenden Belegschaft ein gewisses Potenzial an Diversität haben. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit persönlichem oder familiären Migrationshintergrund oder deren persönliches Umfeld können die Annäherung an internationale Arbeitsmärkte möglicherweise erleichtern. Die Aktivierung von Netzwerken hilft zudem auch bei Vorfeld-Recherchen zu möglichen Zielländern für das internationale Recruiting und die jeweiligen kulturellen sowie administrativen Voraussetzungen. Bei Beauftragung eines Dienstleisters sollte darauf geachtet werden, dass er international agiert (über eine Konzern-Struktur oder die Einbindung in entsprechende Partner-Netzwerke), möglichst auch bereits Referenzen im internationalen Recruiting vorweisen kann und natürlich auf die relevanten Zielmärkte sowie Branchen fokussiert ist. Zudem können auch internationale Geschäftspartner oder Kunden beim Zugang zu deren Arbeitsmarkt helfen. Der eigene hiesige Branchenverband sollte auch kontaktiert werden, oft gibt es hier bereits entsprechende Initiativen oder Netzwerke.

Schenken Sie den kulturellen Besonderheiten unbedingt genügend Aufmerksamkeit. Denn unangemessene Ansprachen (etwa beim Duzen und Siezen oder dem Umgang mit Titeln) oder auch Forderungen (z.B. in den USA die nach einem Bild) sind nicht nur kultureller Fauxpas, Unhöflichkeit oder mangelnder Respekt, sondern werden auch dazu führen, dass die Personalsuche scheitert oder zumindest teurer wird als geplant. In vielen Ländern wird beispielsweise wenig Wert auf klassische Zeugnisse gelegt, dafür aber mit Referenzen agiert – sind Sie in der Lage, solche Referenzen dann auch zu überprüfen? Selbst die internationale Angleichung von Studienbezeichnungen und -abschlüssen garantiert keine gute Vergleichbarkeit. Diese ist ja selbst bei gleichen Abschlüssen unterschiedlicher deutscher Hochschulen nicht immer einfach, erst recht nicht im internationalen Umfeld und mit Sprachhürden. Vergessen Sie nicht, die eigene Außendarstellung (Webseite, Netzwerke) so zu gestalten, dass auch ausländische Fachkräfte etwas damit anfangen können.

Checken Sie ihre Technik und rüsten Sie rechtzeitig auf, denn bei der internationalen Personalsuche sind Erst- und auch Zweittermine per Video-Gespräch üblich. Auch erste Testaufgaben sollten so abgewickelt werden und letztlich nur solche Bewerber wirklich zum persönlichen Gespräch in die Zentrale eingeladen werden, die vielversprechend sind. Alternativ können Gespräche auch an einem zentralen Ort im Ausland geplant werden, beispielsweise im Zusammenhang mit dem Besuch eine Jobmesse dort. Aber auch diese sollten dann gut vorbereitet werden, damit sie zum Erfolg führen.

Direktsuche von Kandidaten ist gerade im Ausland oft erfolgreicher als Stellenanzeigen zu schalten, denn diese müssen ja auch erst mal den Weg zur passenden Zielgruppe finden und dort dann die Hürde eines oft niedrigen Bekanntheitsgrades des eigenen Unternehmens bei Kandidaten und Kandidatinnen überwinden. Neben Dienstleistern, Jobnetzwerken wie Xing oder LinkedIn und dem eigenen Netzwerk bieten Institutionen ihre Hilfe: www.make-it-in-germany.com/ ist das Portal der Bundesregierung für Fachkräfte aus dem Ausland. Nach eigenen Angaben erreicht es 200.000 Menschen im Monat, die dort nach Stellen recherchieren können. Arbeitgeber können über dieses Portal oder über den Arbeitgeberservice der Arbeitsagentur auch Jobprofile ausländischer Kandidaten einsehen. Zudem gibt es dort auch viele Informationen, beispielsweise zur Bewertung ausländischer Abschlüsse oder zu den juristischen Voraussetzungen einer Beschäftigungsaufnahme (Einreise, Visum, Aufenthaltsrecht usw.) und Kontakte zu wichtigen Ansprechpartnern. Neben einer kurzen Checkliste bietet Make-it-in-Germany auch einen kostenlosen umfassenden Leitfaden zur Fachkräftegewinnung im Ausland. Auch das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) ist eine gute Anlaufstelle für Informationen zum internationalen Recruiting. KOFA ist ein Projekt des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. https://www.kofa.de/inhalte-von-a-z/internationale-fachkraefte

Besteht Aussicht auf eine Einstellung, so ist auch hier der Aufwand höher als bei der Rekrutierung im Inland. Ihre Personalabteilung wird mit möglicherweise völlig neuen Fragestellungen aus dem Aufenthaltsrecht beispielsweise konfrontiert sein, oder auch mit komplizierten Versicherungsfragen. Sind ihre betriebliche Alters- und/oder Sozialleistungen auch auf ausländische Nutzer eingerichtet? Wenn Kandidaten aus dem Ausland an den Konzernsitz umziehen sollen, brauchen sie noch mehr Unterstützung als neue Beschäftigte, die innerhalb Deutschlands umziehen – erst recht, wenn die Familie mitkommt. Mit dem reinen Umzug ist es aber nicht getan, auch der Aufwand zur Integration ausländischer Mitarbeiter ist höher als der für deutsche. Deshalb sollten sie in den ersten 1 bis 1,5 Jahren intensiv betreut werden, damit sie sich im neuen Land wohl fühlen und sich gut integrieren. Auch dies ist durchaus im eigenen Interesse des Unternehmens, denn Beschäftigte, die sich in den neuen kulturellen Umgebung nicht zurecht finden oder nicht wohl fühlen, werden eher mit dem Gedanken an eine Rückkehr ins Heimatland spielen. Dann wäre die Personalgewinnung gescheitert und die dafür aufgewendeten Mittel wären verloren.