Die Chemie muss stimmen

Der Geschäftsführer der IG Pflanzenzucht, Franz Beutl, erzählt im Interview, wie er den Herausforderungen des Fachkräftemangels begegnet und was die Beschäftigten am Unternehmen lieben.
Veröffentlicht am 06.06.2024
Die Chemie muss stimmen

Wirkt sich der Fachkräftemangel auch bei Ihnen aus, Herr Beutl?

Franz Beutl: Die Personalgewinnung ist schwieriger geworden. Für manche Positionen oder in manchen Regionen gibt der Markt fast nichts mehr her. Beispielsweise im Vertrieb, da können wir offene Stellen oft nur noch mit Personalberatern wie AgroBrain besetzen.

Stellenanzeigen funktionieren nicht mehr?

Beutl: Wir nutzen auch Anzeigen auf digitalen Plattformen. Positionen wie etwa Teamassistenzen können wir so besetzen, und beim Vertrieb helfen uns auch unsere Netzwerke bei der aktiven Suche. Gerade über Kampagnen in Social-Media-Kanälen kommen aber auch viele unpassende Bewerbungen. Hier im Raum München bewerben sich nach Corona viele aus dem Hotelgewerbe, der Gastronomie oder vom Flughafen, das passt nicht immer gut. Erschwerend kommen die hohen Lebenshaltungskosten hinzu. Bei manchen Stellen können wir das nicht über passendes Gehalt auffangen.

Warum stellen Sie nicht Leute von weiter weg ein, die im Homeoffice arbeiten?

Beutl: Die Hälfte der Belegschaft arbeitet im Außendienst und damit ohnehin dezentral und von zuhause aus. Homeoffice und hybrides Arbeiten sind bei uns üblich, aber nicht die Lösung für alle Probleme. Homeoffice geht leider nicht für alle Positionen. Und ich merke bei den Beschäftigten, dass das auch nicht alle wollen. Man kann nicht alles in Videokonferenzen besprechen, vieles passiert nebenbei im schnellen Gespräch im Vorübergehen. Und ich muss an Teambuilding und Verbesserung des Teamzusammenhalts denken. Als Mittelständler sind wir geprägt von einer starken gemeinsamen Vision und Spirit. Im Homeoffice haben die Leute aber verständlicherweise nur die eigenen Themen im Kopf, nicht das Gesamtbild. Es ist bei uns wie im Fußball: Ein sehr gutes, geschlossenes Team kann gegen eine Mannschaft aus Spitzenkickern gewinnen, wenn diese nicht als Team funktionieren. Bei uns können die Leute standardmäßig zwei Tage Homeoffice in der Woche machen und wir stimmen das eine Woche vorher ab. Das läuft sehr unbürokratisch und mit Vertrauen. Diese Flexibilität schätzen die Beschäftigten.

Wie sieht es denn bei Ihnen mit der Fluktuation aus?

Beutl: Natürlich geht mal wer, aber wir haben wenig Fluktuation, denn wir achten darauf, dass es den Leuten bei uns gefällt. Sie schätzen Flexibilität, kurze Wege, gemeinsames Tun. Wir bieten Jobticket, betriebliche Altersvorsorge, Sachbezüge, Fortbildungen, Firmenwagen. Wir fahren gemeinsam zu Teambuilding-Events. Letztens waren wir für zwei Tage in Frankreich. Innen- und Außendienst treffen sich zwei- bis dreimal im Jahr miteinander für eine gute Zusammengehörigkeit. Dieses Gemeinschaftsgefühl sieht man auch daran, dass wir sehr viel selbst machen. Ein Beispiel sind etwa Feldtage, wo wir unseren Stand immer selbst aufbauen und gestalten.

Und die Belegschaft honoriert das?

Beutl: Ja, die Identifikation mit dem Betrieb ist hoch. Unsere Leute schätzen Mitwirkungsmöglichkeiten und dass wir individuell auf Bedürfnisse eingehen. Ich höre immer wieder, dass unsere Mitarbeiter keine Nummer in einem Großbetrieb sein möchten und es gut finden, was wir bieten. Umgekehrt haben sie auch Verständnis, wenn es bei bestimmten Anlässen mal etwas länger oder härter geht, anstrengender ist. Sie wissen, dass wir ihnen auf individueller Ebene entgegen kommen, beispielsweise wenn die Kinderbetreuung zu teuer ist oder ausfällt oder es einen Pflegefall in der Familie gibt.

Sie binden Ihre Beschäftigten, indem Sie deren Wünsche erfüllen?

Beutl: Nicht alle, das geht natürlich nicht. Wir haben nicht alle Möglichkeiten eines Konzerns. Wir bemühen uns, auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzugehen. Anders geht das meiner Meinung nach nicht mehr. Die jungen Leute fragen nicht, was sie für das Unternehmen tun können. Die wollen von uns wissen, was wir für sie tun. Offensichtlich das Richtige, denn es gelingt uns immer wieder, aus guten Absolventen wirklich kompetente und mit dem Unternehmen identifizierte Beschäftigte zu machen.

Haben Sie ein Geheimrezept dafür?

Beutl: Personalbeschaffung ist bei uns ein sehr intensiver, längerer Prozess, für beide Seiten. Wir machen nicht ein, sondern zwei bis drei Treffen, veranstalten eine Art Assesment Center. Das ist für beide Seiten auch anstrengend, lohnt sich aber. Natürlich treffen wir auch mal eine falsche Einschätzung. Aber oft gelingt es, Leute einzustellen, bei denen die Chemie stimmt und nicht nur die Anforderungen. Das ist auch unser Wunsch an Personalberater, reines Matching der Anforderungen reicht nicht. Ich bekomme oft gutes Feedback von Bewerbern dafür. Für die ist es auch besser, eine Stelle anzutreten, die wirklich zu ihnen passt. Wenn es schief geht und sie erneut auf die Suche gehen müssen, ist das nur mühsam.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Beutl.