Nachhaltige Unternehmen finden leichter Personal
Die Agrarwirtschaft ist per se eine grüne Branche, aber das macht sie nicht automatisch zum nachhaltigen Vorreiter. Einerseits sind viele Bio-Betriebe, aber auch konventionell und nachhaltig wirtschaftende Unternehmen sicherlich unter den grünen Stars der Wirtschaft. Andererseits stehen Pestizideinsatz, Gülleproblematik oder Megaställe sehr im Fokus der Medien, Verbraucher und Verbraucherinnen und der politischen Diskussion. Ein anderer Aspekt des Themas wird dabei leicht übersehen: bei der Personalgewinnung können nachhaltige Unternehmen, die sich für Umweltschutz und Klimaschutz einsetzen und dies auch kommunizieren, deutliche Vorteile haben.
Eine Studie im Auftrag des Beratungsunternehmens Königsteiner hat 2020 rund 3000 Menschen Fragen zu ihrer beruflichen und ökologischen Erwartungshaltung gestellt. „Wir wollten wissen, wie wichtig ihnen das Thema bei der Arbeitgeberwahl ist, auf welche Zusatzleistungen sie zugunsten eines nachhaltigen Handelns setzen und wie sie es im Vergleich mit anderen Arbeitskriterien gewichten“, so der CEO von Königsteiner, Nils Wagener, im Vorwort der Studie „Jobfaktor Klima“. Den Angaben nach ist sie „die bisher umfangreichste Studie zum Thema.“
Ein gutes Drittel der Befragten sagt, Umweltbewusstsein spiele eine große Rolle in ihrem Betrieb und gut die Hälfte sagt, er werde zumindest beachtet. Die Agrarbranche liegt, nach Energie und Umwelt, auf dem zweiten Platz und deutlich über dem Durchschnitt. 48,4 Prozent der befragten Personen aus dem Bereich „Agrarwissenschaften“ sagt, Umweltschutz spiele im Unternehmen eine große Rolle. Die Einstellung von Betrieben zum Klimaschutz spielt eine wichtige Rolle bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz: Über alle Altersgruppen hinweg sagen 13 Prozent, die Haltung eines potenziellen Arbeitgebers zum Klimaschutz sei ihnen „sehr wichtig“ und 48,6 Prozent finden sie „wichtig“. Interessanterweise steigt der Anteil der Personen, denen das „sehr wichtig“ ist, mit zunehmendem Alter ebenfalls: In der Gruppe von 18 bis 29 sagen 10,6 Prozent „sehr wichtig“, zwischen 30 und 39 sind es 12,4 Prozent, im folgenden Lebensjahrzehnt 12,8 Prozent und bei den über 50-Jährigen 14,2 Prozent. Spitzenreiter sind Jobsuchende über 60, hier sagen 16 Prozent, dass ihnen Klimaschutz „sehr wichtig“ ist. Umgekehrt ist es bei der Antwort „wichtig“, die geben mit 50 Prozent junge Leute am häufigsten, aber auch in den anderen Altersklassen finden stets mehr als 47 Prozent der Befragten Klimaschutz wichtig. Zusammenfassend sind also in allen Altersklassen für rund zwei Drittel der Bewerber und Bewerberinnen Klima- und Umweltschutz wichtige Attraktivitätsmerkmale von potenziellen Arbeitgebern. Im Agrar-Bereich sind es zusammengenommen 58,4 Prozent, denen Klimaschutz „sehr wichtig“ oder „wichtig“ ist.
In einer weiteren Frage wurde darum gebeten, den Jobfaktor „Klima“ mit anderen Kriterien wie Gehalt, Work-Life-Balance, Diversity, Aufstiegschancen oder Arbeitsatmosphäre zu vergleichen. Dabei zeigte sich: für 47,5 Prozent ist das Thema Klimaschutz ebenso wichtig wie die anderen Themen. Im Detail gibt es hier große Schwankungsbreiten, so finden beispielsweise jeweils knapp 60 Prozent der Befragten das Gehalt und die Arbeitsatmosphäre wichtiger als den Klimaschutz. Aber ebenfalls fast 60 Prozent finden ihn ebenso wichtig wie Diversity und jeweils fast 55 Prozent ebenso wichtig wie Unternehmenserfolg oder Weiterbildungsmöglichkeiten. Und dass jeweils um die 40 Prozent den Klimaschutz ebenso wichtig finden wie ihr Gehalt, die Work-Life-Balance, Arbeiten im Homeoffice oder eine angenehme Arbeitsatmosphäre, sollte Personalabteilungen bei der Formulierung von Stellenanzeigen und dem Employer Branding zu denken geben. Denn im Durchschnitt aller Altersklassen wünschen sich fast 60 Prozent, dass in Stellenanzeigen oder auf Karrierewebseiten Stellung genommen wird zum Thema Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein. Und 43,4 Prozent sind ohne Kompensation dazu bereit, auf Benefits wie Firmenwagen oder Firmenhandy zu verzichten, um den ökologischen Fußabdruck klein zu halten. Selbst auf das berufliche Laptop würde noch fast ein Drittel kompensationslos verzichten und auf Incentive-Reisen sogar 53,2 Prozent.
Die Befragung wird gestützt vom Global Corporate Social Responsibility Report der britischen Marktforscher Nielsen. Demnach gaben fast die Hälfte der Befragten zwischen 21 und 34 Jahren an, dass sie lieber für nachhaltige Unternehmen arbeiten wollen und auch in der Altersgruppe 35 bis 49 sagte das noch rund ein Viertel – das sind erhebliche Anteile an den im War for Talents am stärksten umkämpften Altersgruppen. Auch bei einer Befragung unter 12.000 Beschäftigten gaben drei Viertel an, die Nachhaltigkeit ihres Unternehmens sei ihnen sehr wichtig und 40 Prozent sagten, dies sei ein entscheidendes Kriterium für ihre Bindung an den Betrieb. Mehr als ein Drittel können sich eine Kündigung vorstellen, wenn der Betrieb sich an einem sehr umweltschädigenden Projekt beteiligt. Fast 50 Prozent wollen bei einem Arbeitsplatzwechsel gezielt nach Stellen bei nachhaltigen Unternehmen suchen und 70 Prozent sich dort lieber bewerben.
Deshalb sollten Personalabteilungen sich überlegen, ob und wie Klimaschutz, Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit Teil ihrer Kommunikation sein können. Und vielleicht auch schon Teil des Recruitingprozesses, indem beispielsweise im Rahmen von Green Recruiting auf Papierbewerbungen und Ausdrucke digitaler Bewerbungen verzichtet wird und zumindest die Erstgespräche ebenfalls digital stattfinden. Kommt es zum persönlichen Kennenlernen, kann Bewerberinnen und Bewerbern eine höhere Auslageerstattung für die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Rad anstatt mit dem Auto angeboten werden. Solche Maßnahmen sind einfach umzusetzen, können sogar Geld sparen und vermitteln schon beim Erstkontakt ein nachhaltiges Image. Aber Achtung: Gerade bei der Kommunikation von Nachhaltigkeit zeigt sich, wie bei anderen ethischen Werten auch, die große Fallhöhe des Themas. Wer sich also als Nachhaltigkeits-Primus bei Kandidatinnen und Kandidaten vorstellt, dieses Versprechen dann in der Unternehmenswirklichkeit aber mit den Füßen tritt, wird rasch nur enttäuschten Personalnachwuchs produzieren.