Auf mehreren Standbeinen stehen

Fast die Hälfte der landwirtschaftlichen Betriebe hat ein zweites oder gar mehrere weitere wirtschaftliche Standbeine. Wenn Landwirte sich das gerne aufbauen möchten, gibt es einiges zu bedenken. Hier kommen Tipps und Tricks.
Veröffentlicht am 01.10.2024
Auf mehreren Standbeinen stehen

Dass ein zweites Einkommen neben der Tierhaltung oder dem Anbau von Feldfrüchten gerade für kleine und mittlere landwirtschaftliche Betriebe immer wichtiger wird und sich auch immer weiter verbreitet, ist eine Entwicklung, die zwei Seiten hat: Einerseits sollte ein landwirtschaftlicher Betrieb eigentlich ein auskömmliches Einkommen abwerfen. Das ist aber in der Realität häufig nicht so. Aber es gibt auch einen positiven Blick auf die landwirtschaftliche Einkommensdiversifizierung: Sie verbreitert die wirtschaftliche Basis und kann die ökonomische Existenz absichern.

Wer von seinem Betrieb heute schon oder in absehbarer Zeit kein ausreichendes Einkommen mehr bestreiten kann, sollte sich mit dem Thema Einkommensverbreiterung beschäftigen. Denn wenn dieser Schritt gut geplant umgesetzt wird, bietet er nicht nur das Potenzial für mehr Einkommen ohne Flächenwachstum oder mehr Tiere. Es kann auch eine bessere Risikostreuung erreicht werden und/oder eine höhere Wertschöpfung.

Den Schritt zur Einkommensdiversifizierung sollten Betriebe mit einer Bestandsaufnahme beginnen. Denn abhängig vom Ist-Zustand bieten sich verschiedene Möglichkeiten. Idealerweise sollten keine allzu großen Investitionen oder hohen Schulden nötig sein – das zweite Standbein soll die wirtschaftliche Lage verbessern, nicht den ökonomischen Druck erhöhen. Es wird nicht ohne Investitionen gehen, aber deren Höhe sollte den Betrieb nicht übermäßig belasten. Es liegt auf der Hand, dass ein zusätzliches Einkommen umso mehr zur Rentabilität beiträgt, je weniger zusätzliches Kapital (und schon gar Fremdkapital) dafür aufgebracht werden muss. Auch sollte es zur vorhandenen Betriebsführung und den verfügbaren personellen Ressourcen passen.

Ein guter Zeitpunkt ist oft dann gekommen, wenn Kinder oder andere potenzielle Nachfolger in den landwirtschaftlichen Betrieb einsteigen. Die zusätzliche Arbeitskraft ermöglicht oft zusätzliche Angebote. Grundsätzlich sollten alle von der Entscheidung betroffenen Personen – inner- wie außerhalb der Familie – einbezogen werden. Denn deren Identifikation mit und Motivation zur zusätzlichen Aufgabe ist ein entscheidender Faktor für das Gelingen. Dabei ist zu beachten, dass der Aufbau eines weiteren wirtschaftlichen Standbeins oft Ausdauer erfordert. Drei bis fünf Jahre, bis der Erfolg sich einstellt, sind keine Seltenheit.

Zur Analyse gehört auch ein Vergleich der verschiedenen Optionen und deren Vor- wie Nachteile, sowie der Abgleich zwischen den Voraussetzungen, die der bestehende Betrieb bereits bietet und den Notwendigkeiten oder Anforderungen, die das neue Standbein verlangt. Je besser beides zusammenpasst und je mehr bereits auf dem Hof vorhanden ist, desto eher wird sich der wirtschaftliche Erfolg einstellen. Beispiel: Wer ungenutzte Stell- und Lagerflächen hat, wird schneller ein relevantes Einkommen mit der Vermietung von Abstellflächen für Wohnmobile und Anhänger oder von Lagerplätzen erzielen als wer dafür erst noch eine Fläche pflastern oder gar eine Halle erreichten muss. Auch beliebte Angebote wie Direktvermarktung, Gastronomie (Hofcafé, Straußwirtschaft), Urlaubsangebote oder Tierpension werden natürlich nur funktionieren, wenn überhaupt Nutzer und Nutzerinnen dafür da sind. Hier macht es z.B. einen großen Unterschied, ob der Betrieb in einer Gegend angesiedelt ist, die regelmäßig und in nennenswerter Zahl von Touristinnen und Touristen besucht wird oder nicht.

Wer nach diesen ersten Überlegungen und Hinweisen entschlossen ist, das Projekt Einkommensdiversifizierung anzugehen, kann sich als erste Anlaufstelle bei der landwirtschaftlichen Beratung seiner Region erkundigen. Auch Kollegen und Kolleginnen mit passenden Erfahrungen sind gute Auskunftsquellen, ebenso Fachzeitschriften und die Weiten des Internets.

Das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) hat einen Artikel mit vielen Infos für den Einstieg veröffentlicht: https://www.praxis-agrar.de/betrieb/einkommensalternativen/mit-diversifizierung-den-betrieb-zukunftsfaehig-aufstellen

Diese Tabelle des Bundesinformationszentrum Landwirtschaft kann die Entscheidungsfindung unterstützen (Excel-Datei zum Download):https://www.praxis-agrar.de/fileadmin/Downloads/Betrieb/Betriebsf%C3%BChrung/BZL_Diversifizierung_Vergleich.xlsx