Fehleinschätzung in Führungsposition
In vielen Firmen ist es üblich und erwünscht, Leitungspositionen mit eigenem Personal zu besetzen, dass sich besonders hervorgetan hat. Insbesondere Führungskräftenachwuchs wird gerne intern gesourct. Beschäftigte, die fachlich glänzen, sich überdurchschnittlich engagieren und beständig viel leisten fallen positiv auf, erhalten immer wichtigere Aufgaben und irgendwann die erste Führungsposition. So gut dieser Mechanismus ist, so liegt in ihm auch der Grund für eine häufige Fehleinschätzung junger Führungskräfte. Im Rückblick beschreiben viele Manager und Managerinnen die erste Leitungsposition oft mit Begriffen wie „Orientierungslosigkeit“ oder „Verwirrung“. Auch dass man sich in einer zu großen Rolle wiederfinde ist oft zu hören. Kein Wunder, laut einer Studie von Stepstone haben ein gutes Drittel aller Vorgesetzten noch nie ein Führungskräftetraining erhalten. Ungefähr ebenso groß ist der Anteil jener, die ein Training erst nach Antritt der ersten Führungsposition erhalten haben. Nur 15 Prozent sagten, sie seien vorher auf die neue Rolle vorbereitet worden. Im Ergebnis bekommen Leute, die sich als Spitzenperformer erleben und auch von anderen so gewürdigt werden, mit dem Wechsel in die Führungsverantwortung eine anspruchsvolle Aufgabe, für die sie nicht vorbereitet sind.
Folglich erleben sie sich oft als ungenügend – was sie meist nicht sind, sonst wären sie ja nicht befördert worden. Daher ist es wichtig, nicht den Glauben an sich selbst zu verlieren und weiter auf eigenen Stärken zu vertrauen. Das kann auch verhindern, dass aus der Fehleinschätzung, man sei der neuen Aufgabe unzureichend gewachsen, falsche Lösungsstrategien gesucht werden – etwa Mikromanagement und ständige Kontrolle. Bleiben Sie authentisch, ehrlich und offen, reflektieren Sie ihre persönlichen Qualitäten. Denn in Führungsverantwortung zählen diese nun und künftig mehr als die fachlichen.
Ebenfalls nicht selten ist die Einschätzung, dass „irgendeine“ erste Führungsposition als Einstieg in eine dauerhafte Führungskarriere sinnvoll sei. Schauspieler-Effekt wird das auch genannt, so tun als ob, denn es ist ja „nur ein Job“. Diese Haltung mag für Studierende im Ferienjob angemessen sein, nicht aber bei Führungspersonal, auch nicht beim Einsteig und nach der Devise „Hauptsache Verantwortung!“ Gerade als Führungskraft sollte man wirklich überzeugt sein von dem, was man tut, denn wie will man andere motivieren und führen, wenn man selbst nicht an die Sache glaubt?
Selbstvertrauen ist wichtig als Führungskraft, sich als Alleskönner wahrzunehmen und darzustellen ist das Gegenteil davon. Denn es erfordert nicht viel Nachdenken um zu wissen, dass kein Mensch alles kann. Gerade wenn sie als Führungskraft mehr mit dem Management von Projekten und Teams beschäftigt sind als mit der Lösung der konkreten Aufgaben, geraten Sie fachlich schnell ins Hintertreffen gegenüber ihren Mitarbeitern. Das macht nichts, denn sie sollen ja führen, nicht die Arbeit selbst machen. Aber deshalb ist es eben auch peinlich und demotivierend, wenn Sie ständig so tun, als wüssten und könnten Sie alles mindestens so gut wie oder gar besser als das Team. Und führt schlimmstenfalls nur dazu, dass im Team eine Stimmung des „Soll er seinen Kram halt alleine machen“ aufkommt. Kann so eine Performance entstehen, die Sie für neue, höhere Aufgaben empfiehlt?
Dass neue Besen gut kehren, mag stimmen, kann aber nicht der Grund sein, als neue Führungskraft erstmal alles neu zu organisieren. Es ist in der Regel auch nicht das, was das Unternehmen von Ihnen erwartet. Denn sonst würde das auch klar kommuniziert. Seien Sie bescheiden, agieren sie ruhig und in Kooperation mit dem Team, dass ja auch bisher schon, ohne Sie, einen guten Job gemacht hat. Wenn Sie glauben, Sie müssten Führungsstärke demonstrieren, indem Sie intakte Strukturen neu ordnen, ohne damit bislang Erfahrungen gesammelt zu haben, gehen Sie das Risiko ein, dass eine bislang erfolgreiche Abteilung oder Team nun schlechter arbeitet – das Gegenteil einer gelungenen ersten Stufe auf der Karriereleiter.
Gut, dass wir verglichen haben – aber mit wem? Auf Managementebene kommen vielfältige Konkurrenzfaktoren ins Spiel, Prämien, Boni oder Vergleiche. Wer neu und unsicher ist im Management neigt im besonderen Maße dazu, die eigene Position durch einen falschen Wettkampf mit anderen jungen Führungskräften etwa, mit anderen Spitzenperformern oder gar mit dem mittleren Management bestimmen zu wollen. Völliger Quatsch, denn das einzige was zählt ist, ob Sie die Erwartungen Ihres Vorgesetzten erfüllen. Hat dieser versäumt, klare fachliche und persönliche Anforderungen und Ziele zu kommunizieren, suchen Sie das Gespräch und fragen Sie offen danach. Dann wissen Sie, woran Sie sind und können Schritt für Schritt zu einer guten Führungskraft werden.
Eine weitere Fehleinschätzung wäre, das private Umfeld zu unterschätzen. Ihre Entscheidung für den Gang ins Management haben Sie sicherlich mit dem Lebenspartner abgestimmt. Abgesehen davon gibt es aber auch noch die weitere Familie, die Freundschaften, das soziale Umfeld in Vereinen oder der Nachbarschaft. Arbeit als Führungskraft bedeutet in der Regel mehr Zeitaufwand als Nine to Five. Manche Nachwuchs-Führungskräfte sind unsicher, ob ihr soziales Umfeld das aushalten kann. Aber normalerweise ist dies durchaus der Fall. Und falls nicht, falls es Probleme gibt, können Sie sich immer noch entscheiden, ob der Verein oder die Karriere Ihnen wichtiger sind.