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Befördert oder überfordert?

Was das Peter-Prinzip für Führungskräfte bedeutet.
Veröffentlicht am 28.03.2024
Befördert oder überfordert?

Beförderungen sollen in der Wirtschaft eine Belohnung für gute Leistung sein. Und wenn kompetente Beschäftigte mehr Verantwortung erhalten, ist das auch gut für’s Unternehmen. Aber stimmt das überhaupt oder bringen Beförderungen Menschen in Positionen, auf denen sie überfordert sind?

Das Prinzip der Beförderung lautet: Wer gute Leistung zeigt, steigt in der Hierarchie auf und wird belohnt, an der Spitze stehen folglich die Besten im Unternehmen. Weil zu Beförderungen oft höhere Entlohnung, neuer Titel, neue Funktionsbezeichnung oder andere Annehmlichkeiten gehören, hat sie einen Belohnungscharakter für Beschäftigte und gilt als einer der wichtigsten Antriebe für Karrierewunsch und -planung. Und weil gute Performer innerhalb der Hierarchie aufsteigen, verbessert sich auch die Unternehmensperformance. Das ist die stark vereinfachte Theorie.

Aber wenn das so ist, warum kennt dann fast jede und jeder Beschäftigte unfähige und inkompetente Führungskräfte und Vorgesetzte oder hat von solchen gehört? Warum hat sich der Begriff „wegbefördert“ eingebürgert? Ein Grund dafür ist das „Peter-Prinzip“. Wer danach im Internet sucht, findet rasch Überschriften wie „Beförderung in die maximale Inkompetenz“, „Überforderung nach Beförderung“ oder „Hierarchie der Unfähigen“. Wie kann das sein? Kann es sein, dass das Prinzip Beförderung das Gegenteil von dem erreicht, was es bewirken soll?

Der Kernsatz des Peter-Prinzips lautet: „In a hierarchy every employee tends to rise to his level of incompetence.“ Auf deutsch: „In einer Hierarchie neigt jeder Beschäftigte dazu, bis zu seiner Stufe der Unfähigkeit aufzusteigen.“ Der Satz findet sich in dem 1969 in den USA und 1970 in Deutschland erschienenen Buch „The Peter Principle“ von Laurence J. Peter und Raymond Hull – ein Klassiker der Managementliteratur. Die beiden behaupten, dass in einer ausreichend komplexen und großen Hierarchie früher oder später jede Position von Menschen eingenommen wird, die unfähig sind, ihre damit verbundenen Aufgaben zu erfüllen. Warum Unternehmen dennoch meistens mehr oder minder gut arbeiten, erklärten Peter und Hull damit, dass nicht alle Beschäftigten zur gleichen Zeit ihr maximales Unfähigkeitsniveau erreichen und dass die Arbeit in Organisationen hauptsächlich von jenen Beschäftigten erledigt würde, die noch nicht hoch genug befördert wurden. Neben dem Peter-Prinzip mit vielen Beispielen beschrieben Peter und Hull auch Nebenprinzipien davon wie etwa die bewusste Beförderung unfähiger Beschäftigter, um deren Kolleginnen und Kollegen einen Anreiz vor die Nase zu setzen und die Hierarchie zu festigen und die Schaffung neuer Titel oder Abteilungen, um inkompetente Beschäftigte auszulagern oder wegzubefördern.

Was kann uns das Peter-Prinzip 55 Jahre nach seinem Erscheinen heute noch sagen? Zuerst einmal muss man sich klar machen, dass hier eine stark vereinfachende Sichtweise in ironischem Ton dargelegt wurde. Also bitte nicht wörtlich nehmen, dennoch kann und sollte man es auch heute noch als Anregung für ein Hinterfragen der eigenen Führungskultur nehmen. Denn es stimmt ja: Wer besonders erfolgreich im Handel mit Weizen ist, der wird nach einer Beförderung ins Futtermittel-Handelsteam dort vermutlich auch eine gute Performance zeigen. Wenn die gleiche Person erneut befördert wird und nun den gesamten Bereich Agrarhandel leitet, aber vielleicht nicht mehr. Warum? Weil eine Person, die gut kaufen und verkaufen kann, nicht automatisch auch gut Menschen führen kann. Als Händler oder Händlerin sind Verkaufsqualitäten gefragt. Wer die Handelsabteilung leitet, der handelt meist kaum noch selbst, sondern ist beschäftigt mit Organisation und Management der Abteilung. Dazu braucht es völlig andere Qualitäten.

Was können Personalabteilungen und Unternehmen tun, um nicht nach dem Peter-Prinzip zu handeln? Vor allem sich Gedanken machen um ihre Führungs- und Unternehmensstruktur und -kultur. Es sollte mehr Möglichkeiten geben, Beschäftigten Wertschätzung zu zeigen und sie für gute Leistungen zu belohnen, als nur Beförderungen. Diese sollten erst nach gründlicher Analyse von Potenzial und Kompetenz der Beschäftigten und Anforderungen der Stelle durchgeführt werden. Die Personalabteilung braucht den Mut, Beschäftigten zu erklären, warum eine Beförderung nicht in Frage kommt und die Möglichkeiten, gute Leistungen anderweitig anzuerkennen und zu belohnen. Auch im Interesse der Beschäftigten, denn auf eine Stelle befördert zu werden, die ständig überfordert, ist für diese auch keine erfreuliche Entwicklung.