Akademiker in der Landwirtschaft – welches Studium ist sinnvoll?
Die Antwort auf diese Frage ist selbst wieder ein Klischee, denn sie lautet: Das kommt darauf an. Landwirtschaft ist ein weites Feld und ebenso unterschiedlich wie die Größe oder Spezialisierung von Höfen sind die agrarwissenschaftlichen Studiengänge. Nicht jeder Studienort und Studiengang ist für jeden und jede Landwirt:in geeignet. Deshalb steht zu Beginn der Entscheidung eine Selbstprüfung an: Wie ist meine Situation, welche beruflichen Ziele strebe ich an? Heutzutage muss nicht jede/r Landwirt/in einen eigenen Hof haben, es gibt große Betriebe, die nach gut ausgebildeten Fachkräften suchen. Agrarkonzerne öffnen die Perspektive für eine Managementkarriere, für die vermutlich Kenntnisse in BWL oder Jura mit Agrarfokus wichtiger sind als profundes Wissen um Pflanzen- oder Tierzucht. Studierte Agrarwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler oder Ingenieure finden auch in den vor- und nachgelagerten Bereichen der landwirtschaftlichen Produktion Arbeit: Bei Herstellern von Maschinen und Landtechnik (z.B. Melk- und Molkereianlagen), in der Nahrungs- und Futtermittelwirtschaft oder bei Agrarhändlern. In der chemischen Industrie (z.B. Hersteller von Pflanzenschutzmitteln) gibt es passende Arbeitsplätze oder in der öffentlichen Verwaltung und bei Verbänden. Auch die aktuellen Trends „Nachhaltigkeit“ und „Klimaschutz“ bieten viele Berufsperspektiven für Absolventen grüner Studiengänge, ebenso wie der Bereich Entwicklungshilfe. Aber auch wer eine Hofübernahme anstrebt und die Arbeit im Stall oder auf dem Acker schätzt, sollte über ein Studium nachdenken. Viele Studiengänge, gerade an den klassischen Agrar-Universitäten, sind sehr praxisnah.
Also Augen auf bei der Studienwahl und nicht den erstbesten agrarwissenschaftlichen Studiengang auswählen. Zumal gerade für Übernehmer und Übernehmerinnen von Höfen und Betrieben noch ein anderes wichtiges Kriterium außer der inhaltlichen Ausrichtung eines Studienganges hinzukommt: Die Organisation. Wer bereits den Hof führt oder in die Arbeit im Betrieb tief eingebunden ist, hat nicht so viel Zeit wie andere junge Leute. Hier muss das Studium oft mit harter und vom Wetter sowie den Abläufen auf dem Hof (Erntezeit) geprägter und bestimmter Arbeit vereinbart werden. Dann eignet sich ein duales Studium vielleicht besser. Und es gibt Hochschulen und Studiengänge, die sehr flexibel organisiert sind, wo Module verschoben oder online absolviert werden können. Nach zwei Corona-Jahren sind Hochschulen an Techniken zum Fernstudium gewöhnt und so manche Vorlesung oder Seminar lässt sich als heruntergeladener Podcast auf dem Schlepper beim Pflügen hören. Oder man wählt eine Hochschule, die möglichst nahe am eigenen Betrieb liegt, um Studium und Arbeit besser vereinbaren zu können.
Schließlich sollte man prüfen, ob Zulassungsbedingungen mit den eigenen Voraussetzungen vereinbar sind und sich fragen, wie lange und intensiv studiert werden soll. Wer eine solide fachliche Ausbildung für die gute Führung eines Betriebes sucht, wird ein praxisorientiertes Studium wählen, der Bachelor-Abschluss dürfte ausreichen. Wenn Beschäftigung in einem Agrarkonzern angestrebt wird, ist – zumindest für die hohen Karrierestufen – ein Masterstudium sinnvoll, unter Umständen sogar die Promotion. Wer sich mit der Studienwahl beschäftigt, sollte sich also zuerst mit sich selbst und seinen Plänen beschäftigen. Der Blick in die Lehrpläne gehört natürlich auch irgendwann dazu, aber er steht sicher nicht am Anfang eines Entscheidungsprozesses. Wer sich schwer tut mit der Selbsterkenntnis sollte sich nicht scheuen, Hilfe in Anspruch zu nehmen – es muss ja nicht gleich ein Coaching sein. Vertraute Menschen aus dem Umfeld (Verwandte und Freundeskreis) sind oft gute Gesprächs- und Sparringpartner. Eine andere Möglichkeit sind Studienberatungen, die bei der Klärung des Studienwunsches helfen können. Im Internet lassen sich auch leicht passende Tests finden – hier sollte man wissen, dass es viele kostenlose und natürlich auch bezahlte gibt. Ob letztere einen Mehrwert bieten, ist durchaus eine Überlegung wert, ein kostenloser Test schadet allerdings meist nicht. Aber nicht blind drauflos klicken, sondern darauf achten, wem man welche und wie viele persönliche Daten gibt. Schließlich gibt es auf den Agrarbereich spezialisierte Karrieretage, sei es übergreifend, sei es an einzelnen Hochschulen, die – digital oder vor Ort – interessante Einblicke geben können.
Mehr Infos zum Digitalen Agrarkarrieretag am 07.12.2022: Digitaler Agrarkarrieretag 2022
Mehr Infos des Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft unter: https://www.bildungsserveragrar.de/