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Warum wir uns immer die falschen Netzwerke aufbauen

Netzwerken, so lautet eine Top-Empfehlung für eine erfolgreiche Karriere. Zwei Forscher aus Berlin aber haben herausgefunden, dass viele Beschäftigte, sich die falschen Netzwerke aufbauen. Und diese Netzwerke sind nicht nur wirkungslos, sondern können uns sogar behindern. Unternehmen wie Beschäftigte sollten daraus Konsequenzen ziehen.
Veröffentlicht am 31.05.2023
Warum wir uns immer die falschen Netzwerke aufbauen

Dass Netzwerke ein wichtiger Schlüssel zum beruflichen Erfolg von Beschäftigten ist, wird kaum noch bestritten. Wir erschließen uns damit neue Kontakte, Erfahrungen und Möglichkeiten, erhalten Zugang zu Wissen, Jobs, Beförderungen, Lösungen oder Mentoren. Dementsprechend finden sich massenhaft Karriereseiten im Internet mit Ratschlägen zum richtigen Netzwerken. Allerdings deutet die Forschungsarbeit von Eric Quintane und Gianluca Carnabuci, Professoren an der European School of Management and Technology (ESMT) in Berlin, darauf hin, dass viele dieser Tipps verkehrt sind.

Quintane und Carnabuci haben im September 2022 ihren Aufsatz „When People Build Networks That Hurt Their Performance: Structural Holes, Cognitive Style, and the Unintended Consequences of Person-Network Fit“ veröffentlicht. Darin gehen sie der Frage nach, warum so viele Menschen sich Netzwerke aufbauen, die ihnen nicht nur nicht helfen, sondern sie sogar behindern. Dazu haben sie über zweieinhalb Jahre rund 170 Angestellte beobachtet, die in 13 Abteilungen und auf fünf Hierarchiestufen organisiert waren. Mittels Interviews und Online-Befragungen, den Beurteilungen durch Vorgesetzte sowie Einblick in die jeweiligen Netzwerke der Beschäftigten untersuchten Quintane und Carnabuci, wie die jeweiligen Netzwerke für die Beschäftigten wirkten. Außerdem erhielt eine Gruppe ein Training zum Aufbau beruflicher Netzwerke, eine Vergleichsgruppe jedoch nicht.

Eine zentrale Erkenntnis der Forscher: Menschen suchen sich häufig Personen für ihr Netzwerk aus, die ihnen zu ähnlich sind. Das deckt sich mit vielen Karriereseiten, auf den oft geraten wird, sich Menschen auszusuchen, die ähnliche Ziele verfolgen wie man selbst sowie solche, die schon dort sind, wo man selbst hin will. Laut Quintane und Carnabuci bringen uns solche Kontakte aber wenig Mehrwert. Sie raten Beschäftigten, deren Stärke im Bereich der kreativen Innovation liegt, ihr Netzwerk vor allem unter Kollegen und Kolleginnen aufzubauen, die gut in der klar strukturierten Umsetzung sind – und umgekehrt. Denn wir profitieren nicht, wenn wir nie unsere Komfortzone verlassen, aber auch dann nicht, wenn wir uns in völlig fremde Bereiche vernetzen. Hingegen sei der Nutzen dann am höchsten, wenn wir uns mit ergänzenden, komplementären Menschen und Ideen umgeben. Im Interview mit dem Magazin „Der Spiegel“ sagt Gianluca Carnabuci: „Wenn Ihr Netzwerk Sie in den Bereichen unterstützt, in denen Sie bereits überragend sind, dann bringt es nicht wirklich einen Mehrwert. Wenn Ihr Netzwerk jedoch Ihre Schwächen ergänzt, dann steigert es Ihre Leistung.“

Durch den praktischen Ansatz, einen Teil der beobachteten Beschäftigten zu schulen und eine Vergleichsgruppe nicht, haben Quintane und Carnabuci auch die praktische Konsequenz ihrer Beobachtungen testen können und bestätigt gefunden. Beschäftigte und Unternehmen müssen nicht alles, was sie bisher in Sachen Netzwerke unternommen haben, in die Tonne kloppen. Aber Arbeitgeber können laut Quintane und Carnabuci mit wenigen, unaufwendigen Maßnahmen Beschäftigte dabei unterstützen, ihre Netzwerke komplementär zu erweitern und darüber ihre Performance und damit auch die des Unternehmens zu steigern. Beispielsweise könne man über die Sitzordnung, zugeloste Partner und Partnerinnen für die Mittagspause oder den gezielt geförderten Austausch – jeweils über fachliche Grenzen hinweg – bereits viel erreichen. Und Beschäftigte, die ohne Unterstützung der Firma an ihrem Netzwerk arbeiten, sollten zumindest ab und an mal einen kritischen Blick darauf werfen und sich dabei eben auch fragen, ob sie sich selbst immer nur mit den Leuten vernetzen, die ähnlich ticken wie sie selbst und ähnliche Aufgaben haben, oder ob sie diese Komfortzone auch mal verlassen.

https://www.spiegel.de/karriere/netzwerke-warum-wir-uns-im-job-mit-den-f...