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„Wir investieren wirklich viel Zeit in die Auswahl“

OmniCult aus Limburg hat eine geringe Fluktuation. Geschäftsführer Marc Fischer erklärt, was sie für die Mitarbeiterbindung unternehmen und warum es eine gute Investition ist, Bewerbern auch ohne Assessment Center einen ganzen Tag Zeit zu widmen.
Veröffentlicht am 14.08.2024
„Wir investieren wirklich viel Zeit in die Auswahl“

Herr Fischer, OmniCult entwickelt Dünge- und Pflanzenschutzkonzepte. Was bedeutet das konkret?

Marc Fischer: Wir haben eine Vergangenheit im reinen Vertrieb bzw. waren ausschließlich Lizenznehmer, machen heute aber viel mehr: Wir entwickeln Produktideen und mit Partnern daraus Prototypen. Diese testen wir selbst und organisieren dann Zulassung, Patent- und Markenrechte. Die verbleiben stets bei uns. Die Produktion vergeben wir an Lohnfertiger und konzentrieren uns auf Marketing, Vertrieb und natürlich die Finanzierung des Ganzen. Und wir sind sehr stark auf den deutschen Markt fokussiert. Deshalb kommen wir mit einem schlanken Team aus von rund 30 Leuten – das schwankt, weil wir auch Azubis und Werksstudenten beschäftigen.

Wirkt sich der Fachkräftemangel auch bei Ihnen aus?

Fischer: Wir haben eine geringe Fluktuation, deshalb ist es nicht so schlimm. Aber bei manchen Positionen haben wir Probleme, die zu besetzen – beispielsweise beim Vertrieb in Südbayern oder in Mecklenburg-Vorpommern. Als sehr spezialisierter Mittelständler wachen wir, es geht aber nicht um Wachstum um jeden Preis. Ich sage manchmal scherzhaft, dass es mir lieber ist, wenn wir in fünf Jahren 40 Leute sind, von denen jeder seinen Job geil findet als 90, von denen sich die Hälfte langweilt.

Wenn man sich ihre Recruiting-Kommunikation ansieht, wirkt sie sehr modern. Funktionieren klassische Stellenanzeigen nicht mehr?

Fischer: Die Herausforderungen im Recruiting sind bei uns je nach Position sehr unterschiedlich. Es fällt uns eher leicht, Beschäftigte für das Agrarmarketing zu finden, für die klassische Sachbearbeitung oder Buchhaltung. Schwieriger ist es im Vertrieb, da haben viele geeignete Kandidaten und Kandidatinnen schnell die Befürchtung, bei uns würde ein Verhalten erwartet wie bei Staubsaugervertretern. In Stellenanzeigen können sie kaum erklären, dass es im Agrarvertrieb sehr viel um Beratung geht. Natürlich auch um den Verkauf, aber das unterscheidet sich eben enorm von Drückerkolonnen.

Wenn sie das in Stellenanzeigen nicht erklären können, wie machen sie es dann?

Fischer: Unsere Lösung ist Performance Recruiting und Social Media. Und ein sehr niedrigschwelliger Zugang – beispielsweise haben wir ein Formular auf der Webseite, da können Sie mit sehr wenigen Angaben plus Lebenslauf Kontakt aufnehmen. Anschreiben ist nicht nötig. Wir versuchen, nicht nur die Spitze des Eisbergs zu erreichen, also jene Leute, die aktiv auf Jobsuche sind. Sondern auch die große Masse jener anzusprechen, die eher indifferent sind. Sozusagen die neun Zehntel des Eisbergs, die unterhalb der Wasseroberfläche sind. Das führt zu mehr Kontakten und in der Folge auf unserer Seite auch zu mehr Auswahlarbeit. Aber das lohnt sich.

Welche Erfolgsfaktoren braucht es für diesen Ansatz?

Fischer: Echte statt weichgespülte Kommunikation. Wenn Sie ehrlich und echt kommunizieren, wenn sie zum Beispiel auf LinkedIn zeigen, wer sie wirklich sind, dann zieht das auch Leute an, die wirklich zum Unternehmen passen. Außerdem investieren wir wirklich viel Zeit in die Auswahl.

Wie läuft die ab?

Fischer: Wir beginnen mit einem kurzen Kennenlerntermin per Video, ca. 30 bis 45 Minuten. Danach folgt ein kompletter Tag im Unternehmen, aber ohne Assesment Center oder Probearbeiten. Statt dessen machen wir viele Gesprächsrunden, die Kandidaten und Kandidatinnen haben Termine mit künftigen Kollegen, mit der Bereichs- und der Geschäftsleitung. Wir gehen zusammen Mittag essen, es kann auch ein Event wie ein Escape Room oder ähnliches dabei sein. Wir bekommen dafür gutes Feedback, die Leute sind dankbar, dass wir ihnen so viel Zeit widmen. Sie schätzen es, dass wir auf Augenhöhe kommunizieren. Ein Beispiel: Wir fragen im Rahmen des Kennenlernens dreimal auf unterschiedliche Art, was wir als Unternehmen tun müssen, damit die Leute bis zur Rente bleiben. Wir beschäftigen uns ehrlich mit den Individuen, auch aus egoistischen Motiven: Wir verbringen ein Viertel bis ein Drittel unserer Lebenszeit auf der Arbeit – da soll man sich dort auch wohl fühlen.

Wie sieht es mit der Fluktuation aus?

Fischer: Wie schon gesagt ist sie niedrig, aber es gibt sie. Wohnortwechsel und andere Gründe können dazu führen, dass Leute gehen. Und wir hatten in den zehn Jahren unseres Bestehens vier altersbedingte Übergabeprozesse. Natürlich kommt es bei uns auch mal zu Trennungen, weil es halt nicht oder nicht mehr passt. Abgesehen von der ehrlichen Kommunikation bieten wir viele Annehmlichkeiten – Altersversorgung, Firmenhandy, Firmenwagen zur privaten Nutzung im Außendienst, Laptop und zwei Bildschirme am Arbeitsplatz und fürs Homeoffice usw.

Haben Sie einen Geheimtipp fürs Recruiting?

Fischer: Stellen Sie doch einfach mal eine junge Absolventin ein. Ich habe so viele getroffen, die nach dem Studium mit Ende 20 sechs Monate und länger suchen. Auf einer Weihnachtsfeier hat mir eine Kollegin mal gesagt, dass sie wirklich sehr dankbar ist, bei uns zur Führungskraft geworden zu sein, während sie zugleich zwei Kinder bekommen hat. Das geht, entscheidend ist die Art der Stelle und ein bisschen Kreativität in der Organisation. Wir sehen uns als Treiber der Veränderung und agieren so auch nach innen. Das muss man mögen, da bin ich ehrlich. Aus der Sicht eines klassisch organisierten Unternehmens könnte man uns auch als sprunghaft und mit wenig festen Strukturen beschreiben – denn wenn bei uns Leute sagen: Ich will das und das so und so machen, dann ist die Reaktion des Unternehmens sehr oft: Ja, mach mal. Auch wenn Sachen schon seit sechs oder acht Jahre so gemacht werden, können sie vielleicht auch anders gemacht werden. Manche erschrecken da regelrecht, aber viele honorieren das auch.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Fischer.