Spielt die Uhrzeit meiner Bewerbung eine Rolle?

Angeblich soll der Zeitpunkt, zu dem eine Bewerbung abgesendet wird, eine Rolle spielen. Darüber berichten Internettexte unter teils reißerischen Überschriften. Aber ist das sinnvoll?
Veröffentlicht am 10.09.2024
Spielt die Uhrzeit meiner Bewerbung eine Rolle?

Das steht doch im Internet – eine beliebte Begründung für die eine oder die andere Meinung ebenso wie für deren exaktes Gegenteil. Ja, das steht im Internet, sicherlich, denn dort steht fast alles, wenn man nur lange genug sucht. Das ist kein Gang auf des Messers Schneide, sondern ein Messer mit zwei Schneiden, denn was auf den ersten Blick vor allem bequem erscheint, birgt auf den zweiten auch viel Unsinn und gar Gefahr. Denn die entscheidende Frage ist nicht, ob etwas im Internet steht. Sondern ob das, was ich im Internet finde, sinnvoll und richtig ist oder bloß irgendein Quatsch.

An letzteres mag man denken, wenn man in Sachen Bewerbung in Betrieben der Agrarbranche manchen reißerischen Überschriften vertraut. Ein Beispiel aus jüngerer Zeit behauptet, es spiele eine Rolle, wann eine Bewerbung abgesendet wird. Angeblich sei die Uhrzeit des Absendens entscheidend für den Erfolg der Bewerbung und umgekehrt, also ein Senden zur falschen Zeit praktisch gleichzusetzen mit dem Misserfolg der eigenen Bewerbung.

Wie kommt es zu solchen Texten? Da hat ein britisches Beratungsunternehmen eine Studie erstellt, laut der die meisten Bewerbungen am Montagvormittag um 11 Uhr herum in den Mailboxen von Recruitingabteilungen landen. Daraus schlussfolgert dann ein Internettext, dass zu diesem Zeitpunkt Bewerbungen eine hohe Chance haben, in der Masse unterzugehen. Besser, so wird geraten, sei es, die Bewerbungen Dienstagvormittags zwischen 6 und 10 Uhr abzusenden. Freitage und Samstage seien hingegen die schlechtesten Versandtage. Garniert werden solche Ansichten mit Weisheiten wie „Montage sind allen Leute unsympathisch“ oder „An Freitagen sind auch die Beschäftigten im Recruiting schon so erschöpft.“

Um solche Ansichten zu widerlegen braucht es kein Expertenwissen. Hier reicht der eigene Verstand und ein wenig Nachdenken völlig aus. Die oben dargestellten Argumentationen gehen von einem Bild aus, in dem Personalabteilungen nach dem Veröffentlichen von Stellenanzeigen nichts anderes zu tun haben, als am Computer auf das Eingehen der Bewerbungen zu warten. Das Gegenteil ist der Fall: Die allermeisten Recruiter:innen sammeln die Bewerbungen bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist oder kurz davor und fangen dann erst an, sie durchzusehen. Oder sie erledigen das immer mal wieder, wenn gerade Luft ist, nehmen dann aber Vergleich und Bewertung trotzdem erst vor, wenn die Frist beendet ist (oder eine ausreichende Zahl an Anzeigen eingegangen ist). Alles andere macht wenig Sinn, denn Firmen im Agrargeschäft wollen nicht den schnellsten Bewerbenden einstellen, sondern die am besten geeignete Person, die das Team und das Unternehmen voran bringen wird.

Zu welcher Uhrzeit soll ich also meine Bewerbung absenden? Das ist eine völlig irrelevante Frage und Bewerber:innen für Stellen im Agrarbereich sollten sich davon nicht irre machen lassen. Wichtig ist, eine möglichst überzeugende und fehlerfreie Bewerbung zu übersenden. Es bringt natürlich auch keine Vorteile, mit dem Absenden aus zeittaktischen Erwägungen zu zögern – wer zögert, riskiert, dass viele gute Bewerbungen vor der eigenen gesichtet werden und Eindruck machen. Deshalb sollte man die eigene Bewerbung sicherlich so früh wie möglich senden – aber sich auf gar keinen Fall zeitlich unter Druck setzen. Priorität eins muss immer eine überzeugende Bewerbung sein. Wenn eine weitere Korrekturschleife zu einem Versand einen Tag später führt, dafür aber noch einen Fehler findet, dann ist das auf alle Fälle besser als einen Tag früher mit Fehler zu versenden.