Lachen verboten?
Es scheint keiner Überlegung wert: Lächeln empfinden die meisten Menschen angenehm und freundlich. Und deshalb steht in vielen Verhaltensratgebern für Vorstellungsgespräche: Seien Sie freundlich und zeigen Sie das durch Lächeln. Nun gab es im Februar eine ganze Reihe von Artikeln in deutschen Medien, in deren Überschriften kategorisch davon abgeraten wurde, während des Bewerbungsgespräches zu lächeln. Als Begründung wurde eine US-amerikanische Studie genannt, die Zusammenhänge zwischen Lächeln und geringeren Chancen auf eine Anstellung belegte.
Ein Team um Michelle P. Martín-Raugh von der University of Texas in Austin hat für seine Studie „Speaking without words: A meta-analysis of over 70 years of research on the power of nonverbal cues in job interviews“ 63 verschiedene Forschungsstudien aus 70 Jahren untersucht, an denen fast 4.900 Menschen teilgenommen hatten. In der im Oktober 2022 im Journal of Organizational Behavior veröffentlichten Meta-Studie untersuchen die Forscher und Forscherinnen allerdings nicht nur das Lächeln, sondern alle non-verbalen Äußerungen von Menschen in Vorstellungsgesprächen.
Demnach ist der wichtigste Faktor ein professionelles Auftreten, welches sich in der Kleidung und persönlichen Pflege widerspiegelt. Was die Körpersprache angeht, rät Juniorprofessorin Martín-Raugh zu Blickkontakt und Kopfbewegungen. Diese beiden Punkte hätten ein weit höheres Zusammenfallen mit einer Jobzusage gezeigt als Lächeln. Allerdings konnte die Studie keine Differenzierung der Kopfbewegungen vornehmen, weil es dazu zu wenige Daten gebe. Laut der Zeitschrift „Wirtschaftswoche“ rät Martín-Raugh dazu, mit zustimmendem Kopfnicken auf sein Gegenüber zu reagieren. Ein Tipp, der sich ebenfalls in vielen Ratgebern für Vorstellungsgespräche findet, aber keinesfalls zu haltlosem Dauernicken führen sollte.
Denn aus der Forschung zur Körpersprache weiß man, dass diese vor allem authentisch sein sollte, hingegen einstudiert oder sonst wie zwanghaft wirkende Körpersprache negativ wahrgenommen wird. Das findet sich auch in der Meta-Studie aus Texas wieder. Zwar legen deren Daten offenbar tatsächlich nahe, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Lächeln im Vorstellungsgespräch und Ablehnung der Bewerber und Bewerberinnen durch die Personalabteilung. Allerdings scheint sich das vor allem auf dauerlächelnde Personen zu beziehen und auf einstudiertes, falsches Lächeln. Höfliches Lächeln, gerade zu Beginn des Gespräches und zum Abschied, wird hingegen durchaus empfohlen. Und die Studie zeigt auch, dass echtes Lächeln – also jenes, bei dem die Augen mitlächeln – als positiver empfunden wird als einstudiertes Hochziehen der Mundwinkel.
Welches Fazit sollten wir also aus Medienhypes wie dem um schlechtere Jobchancen wegen Lächeln im Vorstellungsgespräch ziehen? Den zugespitzten Schlagzeilen zu misstrauen. Eine Meta-Studie mit 65 Forschungsarbeiten und fast 4.900 Teilnehmenden, das klingt natürlich sehr fundiert. Aber im Schnitt sind das gerade einmal knapp 78 Teilnehmer pro Studie – bei aller Vorsicht gegen Durchschnittsbetrachtungen nicht eben eine superbreite Basis. Zudem sind die 63 Studien in einem Zeitraum von 70 Jahren erschienen, in dem sich die Recruiting-Prozesse doch kräftig verändert haben. Sicherlich bleiben grundlegende psychologische Reaktionen auf die Körpersprache des Gegenübers durchaus über Jahrzehnte gleich oder ähnlich, aber lassen Sie sich dadurch das Lächeln beim Vorstellungsgespräch nicht verbieten. Berücksichtigen Sie lieber den grundlegenden Tipp, den ja auch Martín-Raugh gibt: Bleiben Sie authentisch und vermeiden Sie jede Form übertriebenen und zwanghaften Handelns. Dazu gehört natürlich Dauer-Lächeln, aber genauso ständiges Kopfnicken oder krampfhaftes Ernst-Bleiben, wenn beim Smalltalk eine humorvolle Bemerkung gemacht wird. Und ein freundliches Lächeln bei Begrüßung oder Verabschiedung wird sicherlich niemanden eine Ablehnung bescheren.